Der Tag begann sehr früh gegen sechs, denn ich musste um spätestens um 07:14 am gut zwei km entfernten Borjomi Freight Bahnhof sein.
Ich dachte mir zwar, ich könnte ja eigentlich auch den 07:05 Zug nach Tbilisi für die eine Station nehmen, aber falls was mit dem Zug sein sollte, hatte ich keine Lust, einige Stunden für die zweite Abfahrt zu warten.
Also lief ich lieber die Strecke durch das am frühen Morgen noch fast im Tiefschlaf steckende Borjomi, das nach dem Trubel am Vortag fast friedlich daher kam. Kaum eine Menschenseele war unterwegs, okay, es war Sonntag, aber in den kleineren Orten ist an sich immer Leben, egal, welcher Wochentag.
Gegen kurz vor sieben erreichte ich den Bahnhof und musste erst einmal herausfinden, welcher der drei Waggons des sogennanten "Kukushka" (russisch für kleiner Kuckuck) Zuges 2 Lari pro Fahrt kostete und welche 1 Lari, das hatte ich schon im Voraus herausgefunden.
Glücklicherweise hingen Zettel in dem für 2 - mit entsprechendem Hinweis in georgisch, russisch und englisch. Der Unterschied erklärt sich offenbar dadurch, dass man die Fenster öffnen kann und somit für Touristen zum Fotografieren etc. natürlich bestens geeignet ist.
Der Zug füllte sich ganz gut, wenn die meisten auch eher in die anderen Waggons einstiegen.
Bei mir im Waggon war sonst noch eine russische Touristen-Familie und wie ich später beobachten konnte, offenbar mehrere Bekannte vom Schaffner, denn als der herum kam, um die Tickets auszugeben, zahlten die russische Familie und ich zwar schön unsere Tickets, mit den anderen unterhielt er sich aber lieber.
Die ganze Fahrt war sehr spannend, die Strecke führt zwar größtenteils durch Wald, aber bei offenem Gelände bieten sich traumhafte Landschaften inklusive auch einer Brücke, die man überquert, von der man wenn auch leider zu wenig sieht, die von DEM Gustave Eiffel konstruiert worden ist (genau der mit dem mickrigen Turm in Paris), während die Lok die Waggons auf den Schmalspurgleisen die gut 900 Höhenmeter auf einer Gesamtstrecke von rund 37km (Durchschnittsgeschwindigkeit somit ca. 15 km/h) hinaufzieht.
Was aber wieder viel interessanter war, war besagte Leute zu beobachten.
Mal abgesehen davon, dass der eine Typ eher wie ein englischer "Lad" aussah und somit an sich genau mein Fall merkte ich wieder, wie der Georgier an sich so einige Verhaltensweisen hat, die man bei so vielen von ihnen beobachten kann , die mir aber von Männern bei uns im Westen so unbekannt sind.
Was mir wieder einmal besonders aufgefallen ist, ist, dass der männliche Georgier sehr oft eine gewisse Verlegenheit in sich trägt.
Ich weiß nicht, ob das was mit dieser Macho-Gesellschaft zu tun hat, dass der Mann gefühlt fast regelrecht ein Macho sein muss, auch wenn er doch eigentlich eher ein Sensibelchen ist oder was sonst, aber das hatte ich im Juni schon beobachtet.
Unser damaliger Reiseleiter Giorgi war, was diese Verlegenheit anging, besonders gut darin.
Einerseits hatte er oft mit seinem fast noch kindlichen Charme und Narzissmus versucht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber wenn er sie bekam, wurde es ihm schnell zu viel (immer schön nach seinen Spielregeln) und er wurde so was von verlegen, was immer zu niedlich anzusehen war.
So war es hier nun nicht, aber trotzdem ähnelten sich die Verhaltensmuster. Spannend.
Lustig neben der Verhaltensstudie war auch das Drumherum um die Zugfahrt wie dass ein Passagier an der Lok auf der Zugangstreppe steht und sich mit dem Lokführer unterhält - während der Fahrt natürlich.
Da hält der Zug mitten in der Pampa fernab von einem Bahnhof, wo Leute dann einfach aussteigen usw. - völlig unmöglich bei uns!
Die gut 2 1/2 Stunden Fahrt vergingen jedenfalls wie im Fluge, soviel war zu bestaunen.
Ich nahm dann nicht den Zug unmittelbar zurück, sondern ging in den kleinen Ortskern von Bakuriani, der aber nicht viel, gar nichts bot. Der Ort ist ja vor allem als Skiresort im Winter bekannt, aber im Sommer eher unspektakulär.
Ich hätte eine Wandertour gen Hausberg Kochta machen können, auf dem Weg dorthin liegt wohl auch ein verlassenes Dorf, aber ich zog es dann doch vor, wieder nach Borjomi zu fahren, dieses Mal mit einer Marschrutka für 3 Lari, die nur gut 45 Minuten braucht, um den Nachmittag lieber in dem wundervollen Ort zu verbringen.
Dort angekommen besuchte ich die Ruinen der Gogia Festung auf einer Anhöhe, von wo man einer wunderbaren Ausblick auf Borjomi hatte. Die Ruinen selbst sind jetzt nicht unbedingt ein Must See, aber für den Ausblick lohnt es sich schon.
Ich musste mich dann zwischen Romanow Palast und Plateau Wanderung entscheiden, für beides war am Nachmittag nicht Zeit und ich entschied mich fürs Plateau, allerdings nahm ich, um hinauf zu kommen, die mit 5 Lari völlig überteuerte Seilbahn.
Ich hätte sicherlich auch hinauf laufen können, ich war inzwischen fit genug nach der vielen Bewegung in den letzten Wochen, aber die Seilbahn gehört nun mal mit zu den Touristenattraktionen.
Die Fahrt an sich war auch sehr schön und oben angekommen ist der Ausblick ebenfalls sehr wundervoll.
Ich folgte dann einem der offiziellen Wanderwege (mehr oder weniger), die es in dem Ort gibt, der einen zum einen mitten im Wald zu einer kleinen entzückenden Kirche, wenn ich richtig gegoogelt habe, russisch-orthodox, nebst einem hölzernen Tempel und einem Brunnen, die dem Heiligen Seraphim von Sarow (mehr über ihn kann man >> hier in Englisch lesen), einer der bekanntesten russischen Mönche und Mystiker der Orthodoxen Kirche, gewidmet sind.
Es war auf dieser Reise auch die einzige Kirche, die ich besichtigt habe nachdem wir im Juni mit Besuchen fast erschlagen worden sind.
Man ging dann wieder das Plateau hinab, kam an der Schwefel-Badeanstalt vorbei, die obwohl es bereits später Nachmittag war, noch gut gefüllt war.
Der restliche Weg war dann der vom Vortag zurück zum Kurpark und von der Seite kommend, zahlt man keinen Eintritt mehr.
Es war jetzt viel weniger los nach der Vortagshektik und ich genoss für eine ganze Weile, einfach auf einer Bank sitzend, die Ruhe. So ließ sich ein Tag in diesem schnuckeligen Ort perfekt ausklingen.
Da ich am nächsten Tag wieder sehr früh aufstehen musste, denn auch hier wollte ich mit dem Zug fahren, und ich inzwischen fast 13 Stunden unterwegs gewesen war, kehrte ich ins Gästehaus zurück, wo ich wieder mit Händen und Füßen herzlichst begrüßt worden bin.
Bald aber schon fiel ich todmüde ins Bett.... Borjomi, du hast mir gefallen.
Was für eine Lok... |
die billigen Waggons für 1 Lari je Fahrt |
Die Brücke, die Gustave Eiffel konstruiert hat. |
Wie lange diese Waggons hier wohl schon stehen, dass Bäume in ihnen wachsen? |
Hübscher Typ, glattrasiert, aber auch er hat die Finger am Mund. Was ist das nur bei den Georgiern? |
Während der Fahrt wird mit dem Lokführer gequatscht |
Die herausnehmbaren Sitzpolster werden umfunktioniert zur Schlaffunktion |
an den meisten Haltestellen gibt es auch noch Zugabfertiger - es gibt 4 (VIER!) Züge am Tag.... |
Es wird irgendwo in der Pampa zwischen zwei Haltestellen ausgestiegen... |
Endhaltestelle |
Der Zug kehrt nach wenigen Minuten zurück nach Borjomi |
Es ist halt ein Skiresort im Winter |
Der Zaun muss einst wunderschön gewesen sein, leider sind die Stuckelemente z.T. stark beschädigt |
Ruinen der Gogia Festung in Borjomi |
Ich liebe es, die Einheimischen beim sozialen Austausch zu beobachten! |
Hinauf aufs Plateau mit der überteuerten Seilbahn |
der Tempel des Seraphim von Sarow |
Brunnen, dem Heiligen gewidmet. Mir erschloss sich der Sinn nicht ganz. |
in der Kirche des Seraphim von Sarow |
die Minikirche von draußen |
die Schwefelbäder |