Freitag, 7. September 2018

Tag 5 - 25. Aug 2018: Auf nach Borjomi und eine Begegnung der ganz besonderen Art

Am Samstagvormittag, nachdem ich dann doch etwas spät in die Gänge gekommen war, machte ich mich auf das Abenteuer, mit einer sogenannten Marschrutka nach Borjomi zu kommen. 

Dafür musste ich erst mit der Metro von Liberty Square sechs Stationen bis zur Didube Station fahren, die gut 7km entfernt ist. 
Von dort fahren viele dieser Minibusse Richtung Westen, wie Batumi, Südwesten, wie halt Borjomi, aber auch Richtung Kazbegi im Norden ab. 
Je nach Ziel fahren sie mehr oder weniger stündlich, zweistündlich, vielleicht aber auch nur ein, zweimal am Tag, wobei sie angeblich aber auch oftmals erst losfahren, wenn sie (mehr oder weniger) voll sind, was aber auch heißt, dass sie schon früher losfahren, wenn sie dann rappelvoll sind. 

Ich hatte mir das alles etwas umständlicher vorgestellt, nach all dem, was ich im Internet gelesen hatte, dass das an der Didube Station so unübersichtlich sein sollte (ist es auch, wie ich einige Tage später merkte), aber für die nach Borjomi war's super simpel, da sie direkt am Platz vorm Ausgang abfahren. 

Ziel stand auch in lateinischen Buchstaben drauf, Fahrer gefragt, "Borjomi?", der nickte, ihm meinen großen Rucksack in die Hand gedrückt, und in den Minibus gestiegen. Ich wusste nicht so recht, ob sich das schickt, aber da ich meinen anderen Rucksack dabei hatte, setzte ich mich an den Gangplatz einer der Zweier und nicht ans Fenster, das wirkte mir alles ein wenig zu eng. 
Der Bus war schon gut gefüllt (mit rund 20 Sitzplätzen insgesamt), wenige Minuten später stieg ein älterer Herr ein, der mich sofort mit fließendem Englisch ansprach, ob der Platz neben mir noch frei sei, was ich bejahte. 
Was sich aus dieser Frage in den nächsten 2 1/2 Stunden entwickelte, gehört für mich zu den eindrucksvollsten Begegnungen auf der ganzen Georgien Reise, eigentlich auf beiden Reisen.
Wir kamen sehr schnell ins Gespräch über die typische Frage, woher ich denn käme, wobei er schon vermutet hatte, dass ich aus Deutschland war trotz meines guten Englisches.
Die ersten Minuten waren zwar eher Geplänkel, er half mir beim Bezahlen für den Bus (ganze 7 Lari, - 2,30 EUR für eine Strecke von über 150km - da zahle ich mehr für den ÖPNV hier!), ich fragte natürlich auch, woher er denn so exzellentes Englisch sprach, was er so fließend konnte, wie ich es in Georgien bis dato noch nicht erlebt hatte.
Es stellte sich heraus, dass er Dozent an just einer der Unis, die am Tag zuvor in Vake passiert hatte, war und viele Jahre in Großbritannien gelebt hatte, aber auch jahrelang für große internationale Unternehmen gearbeitet hatte und auch immer noch neben seinem Uni-Job Beratungsjobs machte (tja, der öffentliche Dienst zahlt in Georgien wohl richtig mies).

Ich erfuhr in den nächsten zwei Stunden so unglaublich viel über das Land.
Ich hatte zwar schon im Juni viel erfahren, aber obwohl Giorgis Deutsch zwar sehr gut und oft zu süß von der Wortwahl und dem Ausdruck gewesen war, war es für ihn doch schwierig gewesen, mir manche meiner Fragen detaillierter zu beantworten, auch wenn er es bestens versucht hatte. Aber ab und an fehlte Giorgi dann doch das Vokabular, das Gefühl für die Sprache etc., um Dinge in Deutsch zu erklären, die über das normale touristische hinausgingen und ich hatte nicht mehr weiter gefragt, weil ich auch merkte, dass ihn das anstrengte.
Das konnte ich hier nachholen, denn wenn ich einen Georgier, der Englisch fast auf Muttersprachler-Niveau gegenüber hat, konnte ich mir die Chance nicht entgehen lassen. Dafür faszinierte mich gerade nach den Tagen allein unterwegs das Land noch immer zu sehr, da ich ja auch nun die Zeit gehabt hatte, Menschen zu beobachten, sie beim Interagieren zu studieren, aber auch zu sehen, wie sie uns Touristen, wie auch mir gegenüber reagierten.

Ich war einfach so was von beeindruckt, wie gut er mir gewisse Dinge, die in dem Land geschehen sind, erklären konnte, wie Leute hier ticken, gab mir darüber hinaus auch noch Empfehlungen für Borjomi, da er nur unter der Woche in Tbilisi arbeitete, aber mit seiner Frau am Wochenende in Borjomi lebte.

Total interessant wurde es dann, als wir auf das Thema Bücher kamen, da seine Frau u.a. als Übersetzerin von georgischen Autoren arbeitet, und ich erwähnte, dass ich zur Frankfurter Buchmesse im Oktober fahre, wo ja Georgien Gastland ist und es stellte sich heraus, dass einer der georgischen Autoren, die dort sein werden, ein Freund von ihm war, den er dann auch sofort anrief. 
Total verrückt, denn nach dem Gespräch hatte ich mehr oder weniger eine Verabredung mit einem mir völlig unbekannten georgischen Autor auf der FBM (inzwischen habe ich einiges von ihm gelesen und bin total geflasht, kann es kaum erwarten, ihm auf der Messe zu begegnen).
Ich hätte am liebsten noch Stunden mit ihm reden können, soviel hätte ich gerne noch erfahren und gewusst, aber leider erreichten wir dann doch irgendwann Borjomi.

In Borjomi angekommen, es war kurz vor zwei, verabschiedete ich mich von meiner neuen Bekanntschaft und machte mich fast unmittelbar auf den Weg zu meinem Gästehaus, dem Old House Rustaveli Guesthouse direkt im Zentrum gegenüber der Brücke zum Kurpark.

Ich wurde sehr freundlich, wenn auch eher mit Händen und Füßen, da meine Gastgeberin sehr wenig Englisch sprach, begrüßt (meine paar Brocken georgisch, die ich noch dank eines ganz lieben Bekannten gelernt hatte, taugten auch eher nicht viel, was nützt es mir, wenn ich was auf georgisch fragen kann, aber die Antwort eine andere als gedacht und geübt ist!!!??!! Und die Aussprache des Gegenübers war dann auch immer noch so ein Thema, es gibt eindeutig Akzente in diesem kleinen Land). 
Sie zeigte mir das rustikale mit viel Holz ausgestattete, aber sehr saubere Zimmer, die Küche, die ich nutzen konnte (die Unterkunft war ohne Frühstück, denn ich wollte eh die beiden Tage extrem früh los) und ließ mich erst einmal ankommen. 
Im Zimmer war es bei offenem Fenster zwar recht laut mit dem Straßenverkehr, aber wenn es geschlossen war, war es gut isoliert.

Ich machte mich nur kurz frisch und ging just los, Borjomi erkunden.

Der Kurort Borjomi liegt so bezaubernd in einem Tal entlang des Kura Flusses (Mt’k’vari, der sich ja dann weiter durchs Land wie durch Tbilisi schlängelt und am Ende nach über 1300km im Kaspischen Meer endet), mit Bergen auf beiden Seiten, die mich sehr stark an unser Mittelgebirge mit dem dichtem Waldbewuchs erinnerten - ganz anders als der große Kaukasus, aber vielleicht weil ich das Mittelgebirge so mag, fühlte ich mich total wohl in der Umgebung.

Erst schaute ich mich etwas entlang der Hauptstraße um, die jetzt recht unspektakulär ist mit einigen Restaurants und kleinen Geschäften, besichtigte den alten sehr hübschen Bahnhof, von dem zweimal täglich ein Zug nach Tbilisi abfährt und schlenderte dann durch die Straßen hin zum Borjomi Central Park, oder wie wir Deutschen sagen würden, Kurpark.

An dem Tag fand irgendein Fest dort statt. Vor dem Eingang war eine Bühne aufgebaut, auf der vor allem Kinder und junge Erwachsene entweder singend oder tanzend auftraten, was ich mir für eine Weile angesehen habe und was ganz unterhaltsam war, ebenso war an dem Tag der Eintritt in den Park frei (sonst 2 Lari), und auch dort gab es einige Musikgruppen neben dem sonstigen alltäglichen Trubel, den es in dem Park gibt.

An sich ist der Park sehr schön mit einigen Cafes und einem Weinmuseum, wenn mich auch die Karussells und Unterhaltungsbuden am Ende des Parks etwas irritierten, das hatte mehr was von Jahrmarkt, aber offensichtlich stört's sonst keinen. Dann soll es mir auch egal sein.

Ich bin dann noch ein Stück entlang des Borjomi Flusses gelaufen, okay, eher Bach, wo sich erheblich weniger Leute befanden, was wirklich angenehm war.
Am Ende des Tales liegt eine Schwefel-Badeanstalt, aber soweit bin ich an dem Tag nicht mehr gelaufen, sondern irgendwann umgedreht.

Zurück wagte ich es dann auch, das Heilwasser aus einer der Quellen, die es in dem Ort gibt, hier genauer die im Park, zu probieren.
Ich hatte das Borjomi Wasser in den Flaschen abgefüllt ja schon probiert, was gekühlt war und fand es extrem unangenehm, aber direkt aus der Quelle, fast piwarm, war richtig ekelhaft und ich konnte meinen kleinen Becher nicht austrinken. Wie andere sich an anderen Quellen mehrere große 2 - 5 Liter Flaschen davon abfüllen können, weiß ich nicht... brrrr.....

Ich schlenderte dann ein Stück entlang der Kura, musste dann eine der zahlreichen Fußgängerhängebrücken überqueren und lief noch ein ganz Stück bis zum Borjomi Freight Bahnhof, von wo die Schmalspurbahn nach Bakuriani zweimal täglich abfährt.
Fracht wird da zwar wohl schon lange nicht mehr abgefertigt, aber der Bereich um diesen Bahnhof hat sich zu so etwas wie ein kleiner Zugfriedhof entwickelt mit alten heruntergekommenen, teilweise total entkernten Waggons. Das war total irre anzusehen.
Ich ging zum Tagesabschluss noch was essen, um früh ins Bett zu fallen, denn ich wollte am nächsten Tag mit besagtem Zug nach Bakuriani - die erste Fahrt des Tages um 07:15!

Wenn der Minibus eigentlich voll ist, aber einer unbedingt noch mit muss...
Entlang der Kura in Borjomi



Bahnübergang - oder auch nicht...




Wenn die Ware vom Auto aus verkauft wird.

Auch Tschaikowsky war mal in Borjomi gewesen


Überall reife Trauben




Zug nach Tbilisi

der alte beeindruckende Bahnhof


Bahnhofshalle


Info über die zwei Züge am Tag nach Tbilisi und über die zwei Züge am Tag nach Bakuriani





Schlange stehen fürs Heilwasser





Das Heilwasser ist sooo widerlich! Man kann sich das Wasser an dieser Quelle in einer kleinen Flasche abfüllen lassen oder bekommt es in so einem Plastikbecher


Unterhaltungsprogramm

Unter dieser hübschen Kuppel ist die Quelle

Wasserfall mit Prometheus Statue




Überall Borjomi Wasser Werrbung

Ausblick aufs Plateau mit dem Riesenrad

 





Der Borjomi Freight Bahnhof, von wo der Zug nach Bakuriani abfährt

Auch hier Graffitis


es fährt ja kein Zug mehr...


Alter Entladebahnhof, nicht mehr genutzt (?)

alte heruntergekommene Züge



Es war einmal ein WC...


Graffiti

 
Wenn die Hormone junger Georgierinnen durchdrehen! 

 
Total zauberhaft!